Val dÀran by UTMB Trailrun 162 km 10700 Hm
Veranstalter: UTMB
Datum: 09-11.07.2021
Zeit: 44h 02 min 38 sec
Strecke: 162 km
Höhenmeter: 10.700
Platz Gesamt : 313 von 1250
Platz M1H: 159 von 550
Pace: 3,68 km/h
Es gibt verschiedene Möglichkeiten sich für den UTMB Mont Blanc zu qualifizieren. In unterschiedlichen Rennen der Welt sammelt man innerhalb 2 Jahren Punkte. Mit diesen kann man sich für die Lotterie bewerben. So schaffte ich es 2018 zum Mont Blanc. Mit extremem Kampfgeist und Willen lief ich vor 3 Jahren einmal um den höchsten Berg der Alpen und EU und kam nach über 40 Stunden auf der 170 Kilometer 10.200 Höhenmeter Königsetappe ins Ziel. Trotz der Strapazen war mir klar, ich will zurück zum Mont Blanc. Dieses Mal war mir die Lotterie zu unsicher, somit wollte ich eine direkte Qualifikation erreichen. Da verschiedene UTMB World Series Events zur Qualifikation ins Leben gerufen wurden, entschied ich mich für das Rennen in den Pyrenäen. Damit nur erfahrene Trailläufer am Start des Ultratrails Aran by UTMB stehen würden, sind 8 Qualifikationspunkte zur Anmeldung nötig. 2020 sollte das Rennen zum ersten Mal ausgetragen werden, aber dann kam Corona und das Rennen wurde um 1 Jahr verschoben.
Anreise nach Spanien:
Auch dieses Jahr stand lange in der Schwebe, ob es einen Start geben würde. Umso glücklicher war ich, als endlich die Zusage kam und ich Flug, Hotel und Mietauto für mich und meine Frau Brigitte buchen konnte. Meine Eltern kümmerten sich in der Zwischenzeit liebevoll um unsere Kinder, da unsere Tochter bereits schulpflichtig ist. Die Sprachnachrichten meiner Kinder während des Events oder auch die Bilder mit gebastelten Motivationssprüchen hielten mich vom Aufhören ab. Je näher das Event kam, desto unsicherer wurde ich, ob es die richtige Entscheidung war, teilzunehmen. Seit über einem Jahr gab es keine Wettkämpfe, dadurch konnte ich nur schwer meine Motivation für lange Trainingseinheiten hochhalten. Mein Trainer Preißl Ralf erstellte mir einen abwechslungsreichen Trainingsplan um noch zu retten, was zu retten war. In den letzten Wochen vor dem Rennen arbeitete ich stur den Plan ab, aber trotzdem fühlte ich mich nicht bereit für diese extreme Herausforderung. Warum ich dann trotzdem in das Flugzeug nach Barcelona gestiegen bin, weiß ich nicht genau. Mit dem Mietauto fuhren wir durch karge Landschaften nordwärts, bis die Berge immer grüner und höher wurden. Vor uns lagen die Pyrenäen, eine atemberaubende Berglandschaft und mittendrin ein altes Bergsteigerstädtchen, Vielha. Hier tummelten sich schon viele Ultraläufer auf den Straßen. Verrückte Leute. Am Abend holte ich meine Startunterlagen ab und ein Besuch in der Expo mit dem neusten Traillauf-Equipment war auch noch drin.
Rennstrategie ausarbeiten:
Wie schon in den Tagen davor versuchte ich meinen Kohlenhydratspeicher zu füllen. Dafür war ein Teller Nudeln genau das richtige. Beim gemütlichen Abendessen ging ich mit Brigitte die Rennstrategie durch. Meine Frau hat sicherlich den anspruchsvolleren Job bei diesem Rennen. Neben der Motivation und Beistand bei eventuellen Tiefs, muss sie mich an verschiedenen Stationen mit Ersatzkleidung, Gels und Powerbank versorgen. Klar gibt es einen Livetracker, aber plus minus 2 Stunden sind da schon mal drin, da wir verschiedene Streckenabschnitte so ganz und gar nicht zeitlich abschätzen konnten. Aber trotzdem schafften wir es, ein gutes Konzept auszuarbeiten. Die Eckdaten waren, dass sie mich nach 55, 100, 109 und 148 Kilometer abfangen würde.
An der Startlinie:
Die Nacht vor dem Rennen schlief ich sehr gut. Ich brachte es sogar auf 10 Stunden Schlaf, was sehr wichtig war, da ich ja voraussichtlich 50 Stunden ununterbrochen wach bleiben musste. Die Wettervoraussetzungen waren schon mal perfekt. Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad und 3 Tage Sonnenschein. Während Brigitte wandern ging, bereitete ich mich im Hotel auf das Rennen vor. Das sieht ganz einfach aus. Füße hochlegen und entspannen. Am Freitagabend um 18 Uhr war der Start angesetzt. 2 Stunden vor dem Rennen packte ich meinen Laufrucksack und den Rennbeutel mit Wechselkleidung, Gel, Riegel, Ersatzbatterien und Powerbank für Brigitte. Es gibt strikte Vorgaben bei solchen Extremrennen, damit die Sicherheit der Läufer so weit wie möglich gewährleistet ist. Deshalb bekommt man eine Checkliste mit Pflichtausrüstung. Diese wird im Startbereich, wie auch sporadisch während des Rennens kontrolliert. In den Laufrucksack gehören u.a. Regenjacke, Regenhose, warme Oberbekleidung, Mütze, Handschuhe, lange Laufhose, 2 Stirnlampen inklusive Ersatzbatterien, Gel, Riegel, 1 Liter Getränk in Soft Flask Flaschen, Rettungspfeife, Erste Hilfe und Rettungsdecke. Langsam wurde ich nervös. Bin ich wirklich bereit für 162 Kilometer und 10.700 Höhenmetern? Die Frage quälte mich seit Tagen. Aber für einen Rückzieher war es zu spät, bzw. war ich zu Stolz. Somit blieb mir nichts anderes übrig, als mit Brigitte zum Start zu marschieren. Hier wurde mit rockiger Musik und lauten Durchsagen auf das kommende Rennen eingestimmt. Viele Eliteläufer tummelten sich im Startbereich. Der ein oder andere UTMB Sieger der letzten Jahre war ebenfalls am Start. Ein Hubschrauber mit einem Fernsehteam kreiste über unsere Köpfe. Ein letzter Motivationskuss von Brigitte und ich ging zum Check In. Da ich der ersten Startgruppe zugeteilt wurde, stand ich mit den Eliteläufern ganz vorne. Langsam wurde es ernst und die Anspannung riesig. Im gesamten Startbereich war natürlich Maskenpflicht, wie auch später in den Verpflegungsstationen.
Startschuß - Das Abenteuer kann beginnen:
10, 9, 8… Start. Ich lief mit über 1.200 Trailrunnern durch die Gassen von Vielha. Unter der Maske drohte schon nach ein paar hundert Metern der Erstickungstod. Da aber viele die Maske abnahmen, tat ich es ihnen gleich und saugte die frische Bergluft in meine Lungen, die es mir dankten. Noch ein kurzer Zwinker zu Brigitte, die neben der Strecke Beifall klatschte und der erste Trail hatte mich verschlungen. Bei Ultraläufen setzt man sich Etappenziele, denn das Gesamtziel ist eindeutig zu weit entfernt. Somit lag mein erstes entscheidendes Ziel bei Kilometer 30. Denn dies war eine Verpflegungsstation und gleichzeitig die erste Cut-Off Zeit um 1:15 Uhr. Im Vorfeld machte ich mir keinerlei Gedanken über Cut-Off Zeiten, da ich in meinen letzten Ultraläufen, teilweise trotz Verletzung, weit davon entfernt war. Hier sollte es sich leider etwas anders verhalten. Es ging stetig nach oben. Die Trails waren technisch sehr schwierig und selbst flache Strecken für mich kaum zu laufen. Die Abendsonne brannte erbarmungslos auf uns herab. Nur langsam zog sich das Feld auseinander. Teilweise gab es Wartezeiten an engen Stellen. Auf ca. 1.800 Meter konnte man Wasser auffüllen und die Durchgangszeit wurde registriert. Wir befanden uns über der Baumgrenze und die Aussicht auf die schneebedeckten Dreitausender der Pyrenäen war gigantisch. So richtig genießen konnte ich dies aber nicht, da nach einem steilen Uphill ein ebenso steiler Downhill Trail folgte. Auf kleinen Bergpfaden quälten sich die Läufer nach unten. Da ich kein Downhillspezialist bin, ließ ich mir Zeit um einen Sturz zu verhindern. Auf einmal schrie ein Läufer hinter mir „Attention“ und ein kopfgroßer Stein flog wie ein Geschoss ein paar Meter neben mir vorbei und verfehlte nur knapp die Läufer unter mir. Puh das war knapp. Nach 20 Kilometern erreichte ich die erste Verpflegungsstation und stellte fest, dass ich viel länger als erwartet für diese Strecke benötigt hatte. Da es kühler und dunkel wurde, zog ich mir ein Langarmshirt an und aktivierte meine Stirnlampe. Noch ein paar Kekse und Obst und weiter lief ich in die Nacht hinein. Die Trails wurden immer anspruchsvoller. Rutschige Rinnen führten nach unten. Nicht nur einmal saß ich im Dreck. Endlich ging es wieder nach oben. 1.200 Höhenmeter auf 5 Kilometer lagen vor mir. Genau um 12 Uhr nachts erreichte ich eine weitere Verpflegungsstation und stellte fest, dass ich nur knapp über eine Stunde von der Cut-Off Zeit entfernt war. Was ich aber noch viel erschreckender fand, war die Tatsache, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt an ca. 400. Stelle befand. Das heißt über 800 Läufer waren noch hinter mir und sicherlich würde es für viele schon an dieser Station wegen der knappen Cut-Off Zeit das Aus bedeuten.
55 km sind geschafft - Lazarett und Kriegsgebiet:
Je höher wir kamen, desto kühler wurde es und desto stärker pfiff uns der Wind um die Ohren. Leider machte sich auch noch mein Problemkind, die linke Ferse bemerkbar und schmerzte bei jedem Schritt. Aber Schmerzen zu ignorieren lernt man schon beim ersten Ultralauf. Somit drückte ich wie viele andere über einen Gebirgspass um dann den nächsten Downhill in Angriff zu nehmen. Mein zweites Ziel kam näher: Die Verpflegungsstation nach 55 Kilometer in Bossost, wo mich Brigitte zum ersten Mal erwarten würde. Aber zuerst musste ich noch einen Downhill, mit 1.800 Höhenmeter auf 20 Kilometer, bewältigen. Langsam ging die Sonne auf und die erste Nacht war geschafft. Ein anspruchsvoller Trail folgte dem nächsten. Langsam kam ich wieder in die Zivilisation. In der Ferne waren Häuser zu erkennen und ein Trail spuckte mich auf einer Kopfsteinpflasterstraße aus. Kurz vor der Verpflegungsstation erwartete mich freudestrahlend Brigitte. Obwohl ich mich ebenfalls sehr freute meine Frau zu sehen, war ich doch sehr niedergeschlagen. Die Ferse schmerzte und auch körperlich fühlte ich mich ziemlich gerädert. Brigitte durfte mich begleiten, da sie als Supporter gemeldet war. In einer großen Halle gab es etwas zu Essen und Getränke. Daneben standen Feldbetten für Läufer, die sich niederlegen wollten. Schlaf kam für mich nicht in Frage. Zum einen war ich noch immer nur 2 Stunden vor der Cut-Off Time entfernt und ich würde wahrscheinlich nach einem Nickerchen nicht mehr in die Gänge kommen. Viele Läufer mussten sich von Sanitätern wegen Verletzungen behandeln lassen. Neben uns übergab sich ein Läufer vor Erschöpfung. Das ganze Lager glich einem Lazarett in einem Kriegsgebiet. Ich beratschlagte mich mit Brigitte, ob es überhaupt Sinn machen würde, weiter zu laufen. Wir kamen beide auf den gleichen Nenner. Aufgeben ist keine Option. Also füllte ich meinen Magen mit einem Sandwich und Cola. Im normalen Leben trinke ich kein Cola, aber bei Ultraläufen ist das Zuckergetränk meine Hauptenergiequelle. Ich fühlte mich einigermaßen frisch und gestärkt und bereit um weitere Kämpfe zu bestreiten.